Köln, 2.3.2017. „Der Wald stirbt“ warnten Forstleute und Umweltschützer in den 80er Jahren. „Das Waldsterben ist tot!“ riefen in den 90er Jahren Kritiker, die die Aufregung um den Zustand des Waldes oft nur als „typisch deutschen“ Hang zum Zukunftspessimismus ansahen. Der schlechte Zustand des Waldes war für Forstexperten aber keine bloße Weltuntergangsstory der Medien. Nicht für jedermann sichtbar, aber für Experten zweifelsfrei messbar, haben die Säurebelastungen durch Industrie, Verkehr und Privathaushalte seit Ende des 19. Jahrhunderts den Wald und seinen Böden geschwächt. Deshalb ist in den letzten 40 Jahren einiges unternommen worden, um die negative Entwicklung zu stoppen und die Waldböden gesund zu erhalten.
Der Waldzustand heute: Positive und negative Trends
Wie geht es dem Wald und den Waldböden heute? Die vom Bundeslandwirtschaftsministerium beauftragte und unter Federführung des Thünen-Instituts jetzt als 500 Seiten starker Report vorgelegte zweite bundesweite Bodenzustandserhebung (BZE II) konnte feststellen, dass sich der Zustand der deutschen Waldböden in den vergangenen zwanzig Jahren messbar verbessert hat. Hauptgrund hierfür: Die Luftreinhaltemaßnahmen der letzten 40 Jahre haben zu einer markanten Reduzierung der Schwefeleinträge geführt und die Waldkalkung hat positiv gewirkt. Negativ zu Buche steht aber, dass weiterhin über die Luft und mit Regen eingetragene Stickstoffverbindungen auf hohem Niveau versauernd wirken. Daher ist das Thema „Saurer Regen“ und Bodenversauerung weiterhin aktuell und bedeutend. Politik und Gesellschaft müssen weiterhin Maßnahmen gegen die alte und neue Bodenversauerung unternehmen.
Resilienz der Wälder erhalten und stärken
Der Begriff Resilienz bezeichnet die Fähigkeit eines Ökosystems, bei eintretenden ökologischen Störungen seine grundlegende Organisationsweise zu erhalten. Dies bedeutet für das Ökosystem Wald konkret, negative Einflüsse wie Versauerung, Trockenperioden oder Klimawandel „verkraften“ zu können und unbeschadet zu überstehen und dauerhaft stabil zu bleiben. Genau diese Fähigkeit des Waldes wird durch eine sehr starke Versauerung und Nährstoffauswaschung des Waldbodens spürbar gemindert, so dass die Resilienz der Wälder abnimmt.
Wissenschaftler fordern Fortsetzung der Waldkalkung
Um das Problem der Versauerung der Waldböden zu lösen, empfehlen führende Experten einerseits eine weitere Minderung der Stickstoff-Immissionen und andererseits eine langfristige Beibehaltung der Waldkalkung von versauerungsempfindlichen Standorten. „Die Frage nach einer Stabilisierung der Waldökosysteme durch Bodenschutzkalkungen lässt sich nach Auswertung von rund 13.000 Bodenproben verlässlich positiv beantworten“, sagt Professor Andreas Bolte vom Thünen-Institut Eberswalde, welches die BZE II koordinierte. „Durch geringere Sulfateinträge sind die pH-Werte im Oberboden empfindlicher Standorte nicht weiter gesunken, was eine gewisse Entlastung darstellt. Eine deutlich stärkere und signifikant positive Veränderung mit pH-Wert-Anhebung ist jedoch nur durch standortgerechte Kalkung erzielbar. Der bisherige Umfang der Waldkalkung reicht allerdings noch lange nicht aus, um die Bodenwerte auf ein vorindustrielles Niveau zurückzusetzen“, so Professor Bolte weiter. Wie die Ergebnisse der BZE II zeigen, haben sich gekalkte Waldböden besser von der Versauerung erholt als ungekalkte Standorte.
Professor Dr. Martin Kaupenjohann, Leiter des Fachgebiets Bodenkunde an der TU Berlin, fasst seine aktuellen Studien wie folgt zusammen: „Die chemischen, physikochemischen und physikalischen Stabilisierungsmechanismen der organischen Bodensubstanz werden durch Kalkung positiv beeinflusst.“ Bei nicht gekalkten versauerungsempfindlichen Standorten sei hingegen eine fortschreitende Bodenversauerung festzustellen. Dr. Martin Greve von der Forstversuchsanstalt FAWF in Trippstadt weist explizit auf Tonmineralzerstörung, Aluminiumfreisetzung und Nährstoffverluste bei sehr starker Bodenversauerung hin. Für Rheinland-Pfalz hat die Forstversuchsanstalt ein neues Nähstoffmanagementkonzept für Waldböden entwickelt, in dem die Waldkalkung ein integraler Bestandteil sein soll.
Saurer Regen: Deshalb leiden Waldböden besonders
Das Kronendach der Wälder bildet ein großes „Auffangbecken“ für Emissionen. Durch andauernde Stickstoffeinträge aus Industrie und Verkehr finden auch weiterhin Säureeinträge statt, die auf vielen basenarmen Standorten das natürliche Puffervermögen überschreiten. Böden, die nicht genügend Säureneutralisationsvermögen aufweisen, versauern immer stärker, was nicht nur zu einer Minderung der Artenvielfalt im Boden führt, sondern auch die Durchwurzelung beeinträchtigt und die Bäume stressanfälliger macht. Der Wald wird geschwächt und erkrankt. Für basenarme Standorte sind Bodenschutzkalkungen deshalb ein probates Mittel, um den natürlichen pH-Wert der Böden wiederherzustellen.